Lesung

Stammbach 30.07.2021


Sinnfreie und nutzlose Alltagsgegenstände will der Verein Paradoxeum in seinem Museum zeigen, das derzeit in Stammbach eingerichtet wird. Was damit überhaupt gemeint ist und wieviel Spass das Ganze auch Erwachsenen machen kann, das führten Mitglieder des Vereins jetzt an einem launigen Abend ihrem Publikum vor Augen und in die Ohren.

Zunächst stellte Vereinsvorsitzender Hermann Reichel aber die neueste Empfehlung der Krankenkassen für Rückenleidende vor: Ein gläserner Hut, nach dem man sich nicht mehr bücken muss, sollte einem dieser einmal herunterfallen. Des Weiteren propagierte er die ersten Prototypen von Tassen; mit zwei Henkeln für den beidhändigen Gebrauch, mit jeweils einem Henkel bedarfsgerecht rechts oder links für Rechts- beziehungsweise Linkshänder, die es in der Luxusvariante auch mit jeweils schräg angebrachtem Henkel als Kipphilfe geben wird – dies allerdings mit längerer Lieferzeit, um dadurch einen höheren Preis herausschlagen zu können. Diese nützlichen, stabilen und alltagstauglichen Trinkgefäße werden von einer heimischen Töpferei angefertigt, weshalb der Verein alsbald eine staatliche Auszeichnung für regionales, nachhaltiges Handeln für angemessen hält.

Im überwiegenden immateriellen Teil des Abends ging es um Literatur der speziellen Art. Renate Bartels, in der Helmbrechtser Hopfenmühle Eingebungen sammelnde Privat-Dichterin, las aus ihrem Werk diverse Kostproben überwiegend philosophischer Art. So zum Beispiel die Vision einer Zeitmaschine, durch die sich jedermann je nach Wunsch um x Jahre verjüngen lassen kann. Wobei sie im kritischen Teil dieser Geschichte mahnte, den Verjüngungswunsch den alltäglichen Gegebenheiten anzupassen. Am Beispiel eines pflegebedürftigen Ehepaares legte sie die Folgen dar, die dann entstehen, wenn sich ein Teil ins Alter eines Säuglings zurückversetzen lässt und damit dem nicht mutierten Teil unüberwindliche Probleme verschafft. – Oder ihre Vision „einmal jemand anders zu sein“: Zum Beispiel ein Regenwurm, weshalb sie sich gleichzeitig nach Tibet wünschte, da die dortigen Buddhisten ja Respekt vor jedem Lebenwesen haben. Im wiederum kritischen Teil dieser Geschichte nahm sie von dieser Vision wieder Abstand, da sie nicht sicher ist, ob auch die Hühner in Tibet buddhistisch sind.

Für musikalische Zwischentöne sorgte Edina Thern. Die Presseckerin ist eigentlich Textilkünstlerin und gestaltet Theater-Kostüme und -Kulissen aus zu recyclingten Materialien. Sie nutzte alltägliche Dinge zum Geräusche machen und brachte unter anderem ein Blechrechteck mit einem Bandmaß zum Schwirren. Um auch das Publikum zu beteiligen verteilte sie verschiedene leere Plastikgefäße, auf denen jeder herummachen konnte, wodurch sich ein polyrhythmischer Klangteppich entwickelte, in dem sich der eine oder andere sogar mit Vergnügen in seine Kindergartenzeit zurückversetzt fühlen konnte.

Poetik aus Fremdproduktion gab schließlich der gebürtige Stammbacher Karl-Ernst Reichel zu Gehör und Zwerchfell. Er trug Gedichte von Ernst Jandl vor. Der Österreicher wandelt und verwandelt Wörter in deren Einzelteile und setzt sie zu Klanggedichten zusammen, die dem ungeübten Zuhörer möglicherweise zunächst als Gestammel vorkommen. Die Gedichtlesung musste allerdings mehrfach unterbrochen werden. Aus medizinischer Rücksicht auf eine poetisch besonders sensible Zuhörerin, bis sie sich von ihren Lachkrämpfen wieder entspannen konnte.
Der Verein wertet seine erste öffentliche Veranstaltung als vollen Erfolg, nachdem sich Publikum bis zur derzeit maximal erlaubten Anzahl mit freiem Eintritt hat anlocken lassen und sich niemand beschwert hatte, dass solcher Blödsinn Zeitverschwendung war.

© Klaus Klaschka